Dienstag, 8. November 2011

Meine königlichen sieben Stunden Feldarbeit mit Thron



Auch wenn meine Putsilwoche schon zwei Wochen her ist, habe ich noch ein bisschen  davon zu erzählen. Für meine Woche hatte ich mir fest vorgenommen ein bisschen Feldarbeit mitzumachen, und an einem Mittwoch war es dann soweit. Das ganze Dorf machte sich auf, den kollektiv gepulten Knoblauch auf den Feldern zu pflanzen. Jetzt war also klar, warum wir zwei Tage lang ganze Berge des Mundgeruchgewürzes bearbeitet hatten.

Wir gingen gemeinsam los, und auf dem Feld ging es dann schnell an die Arbeit. Da merkte ich, dass ich überhaupt keine Ahnung von Landwirtschaft hatte und habe. Ich nämlich an, die Zehen kreuz und quer in den Boden zu drücken. Suba machte mir dann per Gestik klar, dass man schön ordentlich in Linien in den Boden drücken muss, und das machte ich dann auch, schön ordentlich.
Knoblauch rein, Knoblauch rein, Knoblauch rein, Knoblauch rein, Linie fertig, weiter rücken, Knoblauch rein. Das habe ich fast sieben Stunden lang gemacht, von 10 bis kurz vor 5 am Nachmittag in der prallen Sonne.

Mein Arbeitsplatz
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Aufgrund meiner Unerfahrenheit war ich ein ganzes Stück langsamer als die anderen, aber da hatte ich ein bisschen Abhilfe, ein Mädchen half mir ein bisschen zu schummeln, und arbeitete an meiner Reihe mit.

Zum Mittagessen brachte Suba unser Essen zum Feld, auf dem Kopf getragen selbstverständlich.
In Indien essen die Männer immer zuerst, danach dürfen die Frauen essen. Auch auf dem Feld haben wurde das so arrangiert. Ich mag diese Sitte nicht besonders.
Und manchmal ist es auch sehr anstrengend ein Gast zu sein. Ich musste mich ziemlich durchsetzen, bis ich mitarbeiten durfte auf dem Feld. Der Gast soll ja nicht arbeiten, das ist gut gemeint, aber dafür bin ich nun mal hier.
Und als ich dann arbeitete, wurde ich im Zwanzigminutentakt aufgefordert, doch mal eine Pause zu machen, oder am Besten Schlafen zu gehen. „Take some rest, brother.“ Darauf hatte ich überhaupt keine Lust.


Mein Thron

Das als Gast behandelt werden trennt einen von den anderen. Für das Mittagessen auf dem Feld ist Anguli extra Blätter sammeln gegangen, damit ich nicht auf der Erde sitzen musste. Alle anderen taten das. Ich war der einzige, der auf einer kleinen grünen Insel thronte, am Rande des Felds. Auch im Alltag wurde ich so behandelt.
Zum Frühstück bekam ich viel besseres Essen, als man in Putsil normalerweise essen würde. Ich bekam mal Dossa, mal Ukma, mal Brot. Normalerweise isst man dort einfachen Reis zum Frühstück.
Ich fühlte mich geehrt ob all der Mühen, die sie sich meinetwegen machten, zugleich fühlte ich mich damit unwohl.
Ich wollte einer von ihnen sein, nicht wie der König von Putsil behandelt werden. Schließlich war ich für die Kinder ja schon der Buhmann, die Rolle reichte mir schon.

Das als Gast behandelt werden verstärkte das Gefühl jemand Fremdes zu sein, das fand ich schade.
Trotzdem wollte ich das alles nicht ablehnen. Ich denke, es wäre falsch verstanden worden. Diese Art von Gastfreundschaft ist Teil der Adivasikultur. Auch  wenn ich es ab und an anstrengend fand meine besondere Behandlung zu kriegen, bin ich glücklich von solch einer Gemeinschaft umgeben gewesen zu sein. Die Menschen, die ich dort traf, waren herzliche Menschen.



Nach dem Mittagessen ging das Pflanzen dann weiter, und ich wurde langsam schneller.
Ich fand es sehr witzig, wie Anguli mir die ganze Zeit half im Rennen mit den anderen zu bleiben. Meine Hände waren noch gezeichnet vom Feuersammeln und Knoblauchpuhlen.
Ich habe es bis zum Ende nicht geschafft, die perfekte Position zum Pflanzen zu finden. In der Hocke war mir das zu anstrengend, aber auch die anderen Möglichkeiten waren einfach nicht das Wahre. Ich habe alles durchprobiert. Schneidersitz, auf den Knien, mit angewinkelten Beinen, es war alles nicht optimal und so wechselte ich alle 1,5 Meter meine Sitzposition.

Der erkennbare Erfahrungsunterschied
Während dem ganzen Sitzen und Pflanzen, und Herumrutschen, scherzten wir gemeinsam ein bisschen rum. Sie redeten mit mir auf Kuwi, was Marshal manchmal übersetzte, und ich antwortete mit Lachen und einem genialen Gestiksystem.
Dabei war mir bewusst, dass sie auch gerne mal über mich lachten und nicht mit mir, wobei ich auch über mich gelacht habe und sie dann auch irgendwie mit mir gelacht haben.
Über das Kuwi-Gestiksprachsystem fanden wir zum Ende unseres Knoblauchmittwochs einen welthistorisch-bedeutsamen Konsens. Es war ganz klar ein Knoblauchpflanzzusammentreffen, dass nicht von kommunaler Bedeutung war, sondern eines, dass man, und zwar ganz klar, und dass auch ohne jeden Zweifel, auf internationaler, und dass mindestens auf binationaler Ebene einordnen musste und muss und immer müssen wird. Phänomenal-übernational.

Und außerdem waren wir uns einig, dass ich mit ihnen meine Kuwi- und Landwirtschaftsgurus gefunden habe.

Tja, jetzt kann ich Knoblauch pflanzen.



Das war eine besondere Erfahrung für mich. Auf dem indischen Dorf wird fast alles mit Handarbeit gemacht, es gibt so gut wie keine Maschinen. Ich kenne mich zwar nicht besonders aus in der deutschen Landwirtschaft (ich bin ein Stadtkind), aber ich wage zu behaupten, dass es in Deutschland keine sieben Stunden dauert, ein Knoblauchfeld zu bepflanzen, da man dort wohl Maschinen einsetzt. Wir haben das alles mit der Hand gemacht. Zu sechst.
Ebenfalls der Reis, der auch in Putsil meine Lebensgrundlage bildete, war mit der Hand gestampft.
Ich selbst hatte bevor ich nach Indien kam keinen Schimmer wie man Reis verarbeitet.  Das Reiskorn umgibt eine dünne Schale, die Silberschale. Bevor man das Korn erntet, sitzt es oben an der Spitze, (diese nennt der Kenner Rispe) der Reisgräser, die ständig bewässert und so mindestens versentief im Wasser stehen müssen.
In Handarbeit wird man die Schale mit einem Mörser los. In Putsil steht zwar eine elektronische Reismühle, trotzdem wird noch viel mit der Hand gemahlen.
Das Reismahlen ist überwiegend Frauenarbeit, so wie auch das Pflanzen von Knoblauch. - Hauptarbeit der Männer ist es, die Felder bereit zu machen zum Bestücken mit der Pflanze der Wahl.
Das Mahlen ist eine Riesenarbeit und dauert oft mehrere Stunden. Ich habe dabei eine ganze Zeit zugeguckt, die Dame hat dabei keine einzige nennenswerte Pause gemacht, und nebenbei auch noch ein revolutionierendes Kleinkind beruhigt.

Handgemacht schmeckt die Nahrungsgrundlage Putsils einfach besser, sagte man mir.

Und geschrien hat das kleine Kind übrigens wegen mir, dem fremden Buhmann. 

P.S. und vorerst abschließend zum Thema Knoblauch: 2007 war China der größte Knoblauchanbauer der Welt. Es deckte 77,1% des weltweiten Vorkommens ab. An zweiter Stelle kommt - wie die Menschen hier sagen - „Our India“ mit 4,1% des Weltvorkommens.

Würdet ihr einem Fremden gegenüber von „Unserem Deutschland“ sprechen?

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